Abstract von Karin Harrasser
Im 17. Jahrhundert missionierten die Jesuiten in einigen amazonischen Regionen mittels Musik: Sie gründeten Dörfer, in denen Orchester betrieben wurden und sie regierten das Alltagsleben nach barocken Partituren. Diese nur unter großen Anführungszeichen »sanfte« Beherrschungsmaschine, sanft nämlich nur im Vergleich zur harten Extraktion in den Zwangsarbeitssystemen auf Plantagen und in Bergwerken, brachte nicht nur die die davor praktizierte Musik zum Verstummen, die als lärmend und teuflisch verboten wurde. Musik wurde darüber hinaus strategisch eingesetzt, um eine Soundscape zu erzeugen, die das neue Ordnungssystem sinnlich plausibilisierte. Das ist aber nicht das Ende der Geschichte: Mit der Zeit machte sich in und quer zur importierten Tradition die indigene Musik sehr wohl hörbar, sodass südamerikanische Intellektuelle noch im 20. Jahrhundert vom Barock als eigentlich südamerikanischer Kunstform sprachen.